Interview mit mit der IKF-Dozentin Ursula Uttinger
IKF: Frau Uttinger, man kann wohl mit Fug und Recht sagen, Sie sind zum Thema Datenschutz eine der führenden Expertinnen in der Schweiz. Ihre Biografie ist eindrücklich. Begonnen haben Sie Ihre Ausbildung jedoch zunächst mit dem Fach Philosophie. Wie sind Sie zum Datenschutz gekommen?
Ursula Uttinger: Wie es damals üblich war: der/die jüngste Juristin musste nebenbei noch das Thema Datenschutz betreuen. Dies war beim Polizeidepartement der Stadt Zürich. Kurz darauf wechselte ich zu einem grossen Versicherer als Projektleiterin Datenschutz. Schnell stellte ich fest, dass es kaum Literatur zum Thema gab. Während jeder Artikel im ZGB oder OR in mehreren Kommentaren in allen Details beschrieben war, war Datenschutz eine „grüne Wiese“. So bestand die Möglichkeit, bei der Entwicklung mitzuwirken. Das faszinierte mich.
IKF: Sie unterrichten schon seit vielen Jahren in unserem CAS eHealth - Gesundheit digital zum Thema „Health Data Rights – Datenschutz und Datensicherheit“ und nun ab diesem Herbst auch in unserem CAS eLearning zum Thema „Grundsätze des Datenschutzes und Blick auf eLearning, Social Learning, digitale Kollaboration“. Inwiefern unterscheiden sich die Herausforderungen im Datenschutz zwischen den Bereichen eHealth und eLearning?
Ursula Uttinger: Beim CAS eHealth - Gesundheit digital zeigt schon im Namen mit dem Begriff Gesundheit: Achtung! Es geht um besonders schützenswerte Personendaten. Das Bewusstsein gerade bei Personen aus der Medizin ist hoch, da das Berufsgeheimnis sehr wichtig ist. Die Sensibilisierung ist bereits gegeben.
Beim Thema Lernen ist zu unterscheiden, ob es um Erwachsene, Jugendliche oder Kinder geht. Wer kann/darf entscheiden, was mit seinen Daten passiert. Und gerade bei Jugendlichen kommt es auf die Urteilsfähigkeit und nicht das absolute Alter an. Das Persönlichkeitsrecht bezüglich seiner Daten sollte nicht paternalistisch bestimmt werden. Beim eLearning muss man mehr darauf achten, dass nicht einfach alles, was möglich ist, gemacht wird. Hier ist die Sensibilität noch sehr unterschiedlich.
IKF: Das Thema eLearning - Bildung digital (und damit auch die Nachfrage nach unserem CAS) ist jetzt so aktuell wie nie. Gerade die Corona-Krise gab eLearning einen neuen Schub! File Sharing, Coworking in virtuellen Teams, Videokonferenzen aus dem heimischen Wohnzimmer – all das und mehr wurde quasi über Nacht implementiert in vielen Unternehmen. Auf was sollten unsere Kursteilnehmenden ganz besonders achten in Bezug auf Datensicherheit, wenn sie eLearning-Projekte umsetzen?
Ursula Uttinger: Eine absolute Datensicherheit gibt es nie. Die meisten Fehler passieren beim Menschen und nicht bei der Technik. Das heisst, es braucht regelmässige Schulungen und/oder „Tests“ beispielsweise durch „arrangierte“ Phishing-Mails. Nicht jedem Mail kann man vertrauen, auch wenn der Absender angeblich die eigene IT-Abteilung ist. Also Vorsicht mit der Weitergabe von Passworten!
Weiter: wirklich gratis ist kaum etwas. Entweder bezahlt man mit Geld oder mit Daten. Konkret heisst dies: Bei der Nutzung von Tools sollte man sich zuerst Gedanken machen, wie wichtig sind Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der Daten, anschliessend entsprechend der Einschätzung das Passende auswählen. Leider bedeutet mehr Datensicherheit oft auch komplizierteres Handling.
IKF: Seit 2018 sind Sie bei Educa, Expertin für «Datennutzung in der Bildung». Was können Sie uns dazu berichten? Woran forschen Sie da gerade, was könnte dabei für die Teilnehmenden des IKF-Kurses eLearning - Bildung digital interessant sein?
Ursula Uttinger: Ich selbst betreue kein Forschungsprojekt – ich bin in der Rolle einer Beraterin auf Anfrage.
Aktuell werden sehr viele ethische Fragen gestellt, beispielsweise wie weit darf man gehen bei der Analyse der Daten, wer hat Zugriff zu den Daten oder welche Daten werden wem und wie weitergegeben. Dies sind sicher auch Themen beim CAS eLearning.
IKF: Datensammlung, Datennutzung versus Datensicherheit und Privatsphäre – spielen da nicht auch ethische Überlegungen eine grosse Rolle? Am IKF haben wir neu den Online CAS Digital Ethics & Governance ins Programm aufgenommen. Wie finden Sie das?
Ursula Uttinger: Ethik wird eine immer grössere Rolle spielen. Daten machen keinen Halt bei Landesgrenzen. Und selbst die EU hat es nicht geschafft einheitliche Regeln für die ganze EU durchzusetzen. Darum brauchen wir je länger desto mehr einen ethischen Konsens, der möglichst eine weltweite Anerkennung hat und Regeln bei der Datennutzung definiert.
IKF: Was meinen Sie: haben die vergangenen Wochen die Diskussionen um den Datenschutz verändert? Was können wir da zukünftig erwarten?
Ursula Uttinger: Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Befindlichkeiten bezüglich Datenschutz sehr unterschiedlich sind: Für die einen Personen spielt der Persönlichkeitsschutz kaum eine Rolle, wenn damit die Allgemeinheit einen Nutzen hat. Also: Das Individuum kann seine Rechte verlieren zugunsten eines «übergeordneten» Interesses. Die andere Gruppe merkt plötzlich, wie viele Daten gesammelt werden, wie diese Daten ohne eigene Zustimmung ausgewertet werden können und dass es zu einer «Sammelwut» kommt und fühlen sich überwacht.
In Bezug auf die Datenbearbeitung ist auch das Verhalten der Behörden und Politik nur bedingt nachvollziehbar: Standortdaten via Swisscom – wenn auch anonymisiert – absolut ok; für ein App, die ebenfalls mit anonymisierten Daten funktionieren soll, ist zuerst eine gesetzliche Grundlage notwendig; Gastronomiebetriebe sollen grundsätzlich keinen Anspruch auf Daten haben – auch wenn diese damit die Vorgaben zu erfüllen versuchen und möglichst bald die Betriebe wiedereröffnen wollen. Ich persönlich bin froh, dass bei der App und dem Konzept der Gastronomie der Datenschutz wieder ein höheres Gewicht erhalten hat.
Es wird spannend sein zu sehen, auf welche Seite die Bevölkerung mittelfristig kippt – ob die Akzeptanz für eine Überwachung steigt oder die Skepsis und das Bewusstsein eher zunehmen werden.
Vielen Dank für Ihre spannenden Antworten, liebe Frau Uttinger! Wir freuen uns schon jetzt auf Ihren Beitrag bei uns im Unterricht im eLearning - Bildung digital im Herbst 2020.